Erfolgreiche Reanimation auf Usedom

Christoph 47 bei einem Start an der Station in Greifswald.

Christoph 47 bei einem Start an der Station in Greifswald.

Ende Juli wird der Greifswalder Rettungshubschrauber Christoph 47 zu einem Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand auf die Insel Usedom gerufen. Dank effektiver Maßnahmen durch Ersthelfende, können Rettungsdienst und Hubschrauber-Crew den Patienten retten.  

Später Nachmittag an der Station in Greifswald. Alarm. Die Crew von Christoph 47 wird zu einem Notfall auf die Insel Rügen gerufen. Rettungshubschrauber Christoph 47 versorgt in seinem Einsatzradius die größten Urlaubsinseln Deutschlands – Rügen und Usedom. Jährlich reisen zusammengenommen knapp 2,5 Millionen Gäste auf die beiden Inseln, um eine entspannte Zeit am Meer zu verbringen. Doch Notfälle können immer und überall auftreten. Auch im Urlaub.

Nachdem Pilot Bernd Rosenberger mit seiner medizinischen Crew Stephan Nusser (Notfallsanitäter und HEMS TC) und Tomasz Uciński (Notarzt) gestartet ist und sich bereits in der Luft befindet, meldet sich plötzlich die Leitstelle Vorpommern-Greifswald. Es wird umdisponiert. Christoph 47 muss sofort einen anderen Einsatz übernehmen: Es geht auf die Insel Usedom, zu einem Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand.

 

Einsatzort Zeltplatz 

Pilot Bernd Rosenberger landet den Hubschrauber mit Crew nach circa 13 Minuten Flugzeit in direkter Nähe zum Notfallort – einem Campingplatz. „Der bodengebundene Rettungsdienst war bereits vor Ort und führte erweiterte Reanimationsmaßnahmen durch“, so Notarzt Uciński. Die Rettungskette hat hier vor Eintreffen der Einsatzkräfte gut funktioniert: Als der 44-jährige Patient plötzlich kollabierte und keine Lebenszeichen mehr aufwies, riefen die Angehörigen den Notruf und begannen mit der sofortigen Reanimation – unter telefonischer Anleitung der Notrufzentrale. „Sofortmaßnahmen, wie diese, retten Leben“, erklärt Stephan Nusser. „Nur wenn unmittelbar mit der Herzdruckmassage begonnen wird, haben wir die größten Chancen, den Patienten nach unserem Eintreffen bestmöglich zu versorgen.“ 

Kammerflimmern bleibt resistent 

Trotz hervorragender Erstmaßnahmen stehen die Retter vor einem Problem. Das EKG zeigt beim Patienten eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung – ein sogenanntes Kammerflimmern. Das bedeutet, dass der Herzmuskel nur noch ungerichtet und unkoordiniert zuckt, wodurch kein Blut mehr durch den Kreislauf bewegt wird. Die Pumpfunktion des Herzens fällt dabei komplett aus – weswegen der Kreislauf mithilfe der Herzdruckmassage manuell aufrechterhalten wird. Um Kammerflimmern zu unterbrechen kann unter bestimmten Voraussetzungen die Behandlungsmethode der Defibrillation angewandt werden. Dabei werden zwei Elektroden – sogenannte Paddles – am Brustkorb aufgelegt, und gezielte Stromimpulse durch das Herz befördert. War die Defibrillation erfolgreich, geht das Kammerflimmern in einen normalen Herzrhythmus über. Nicht so beim Patienten auf Usedom. Nach mehreren Versuchen und begleitender medikamentöser Behandlung, bleibt das Kammerflimmern weiterhin therapieresistent.  

Spezielle Methode kommt zum Einsatz 

Nach Rücksprache mit der bodengebundenen Notärztin soll eine weitere und in der Notfallmedizin noch relativ seltene Methode zur Anwendung kommen: „Wir haben uns für eine sogenannte doppelte sequenzielle Defibrillation’ entschieden”, erklärt Uciński. Dabei wird Strom aus zwei Defibrillatoren gleichzeitig abgegeben, um das lebensbedrohliche Kammerflimmern zu unterbrechen. „Und das hatte Erfolg”, so Uciński. Bei der nächsten Kontrolle des Herzrhythmus ist kein Kammerflimmern mehr zu erkennen, stattdessen ist der Spontankreislauf des Patienten zurückgekehrt. Dies wird in der Medizin auch als „ROSC” bezeichnet, was als Abkürzung für „Return of spontaneous circulation” steht. 

Zustand bleibt kritisch   

Nach Rückkehr des Spontankreislaufs wird der Patient für den Transport vorbereitet und anschließend in den Rettungshubschrauber verbracht. Die Zielklinik liegt auf dem Festland – die Universitätsmedizin in Greifswald. Während des Fluges bleibt der Zustand des Patienten weiterhin hochgradig instabil. Der Herzschlag geht wieder mehrfach ins lebensbedrohliche Kammerflimmern über, sodass im Flug erneut defibrilliert werden muss. Nach mehrfacher Elektrotherapie kehrt eine normale Herzfrequenz des Patienten zurück. Anderthalb Stunden nach seinem Kollaps, kann der Patient mit eigenem Kreislauf durch die Crew von Christoph 47 an das Klinikum übergeben werden. „In der späteren Herzkatheter-Untersuchung konnte ein akuter Herzinfarkt als Ursache für den Herz-Kreislauf-Stillstand bestätigt werden”, so Notarzt Uciński. „Und es gibt eine sehr erfreuliche Nachricht. Der 44-jährige Familienvater konnte die Klinik nach circa zweieinhalb Wochen wohlauf und ohne verbleibende Schäden verlassen. Danach ging es für ihn direkt in die Reha.” 

Christoph 47 2Christoph 47 in der Abenddämmerung. Die Greifswalder Station ist rund um die Uhr im Dienst.

Rettungskette hat sehr gut funktioniert 

Der beschriebene Fall veranschaulicht, wie wichtig eine gut funktionierende Rettungskette ist – von Anfang bis Ende. In der besonders kritischen Phase, vor dem Eintreffen der professionellen Rettungskräfte – dem sogenannten therapiefreien Intervall” – wurden die richtigen Maßnahmen getroffen. „Lobenswert ist, dass die Leitstelle Vorpommern-Greifswald Ersthelfende bei Reanimationen per Telefon anleitet und sie somit hervorragend unterstützt”, so Stephan Nusser. „Ohne Laienreanimation hätte der Patient kaum Chancen auf so ein gutes neurologisches Ergebnis gehabt”, so Uciński. Der Notarzt betont, wie wichtig das gute Zusammenspiel von Ersthelfern und Einsatzkräften im Notfall ist. „Ich kann nur jedem ans Herz legen, sein Wissen und seine Fertigkeiten zur Reanimation regelmäßig aufzufrischen. Vielleicht kommen Sie auch mal in die Situation, dass vor Ihnen plötzlich jemand kollabiert – wie auf dem Campingplatz. Dann können Sie diesem Menschen das Leben retten!” 

Über die Station Greifswald

Die am 10. April 1990 gegründete Station befindet sich am Universitätsklinikum Greifswald.

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