Ein überzeugter Luftretter mit Weitsicht

Er wollte etwas Neues beginnen und noch näher an den Menschen sein, als er Ende 2014 aus dem Vorstand der Deutschen Bundesbank ausschied. „Ich wollte eine gemeinnützige Aufgabe übernehmen und diese einem Job in der Wirtschaft oder Politik vorziehen“, betont Dr. h.c. Rudolf Böhmler mit ruhiger Stimme. An lukrativen Angeboten mangelte es ihm in diesen Zeiten nicht. Doch der Mann aus Schwäbisch Gmünd und ehemalige württembergische Jugendmeister im Diskuswerfen hat sich einem ganz anderen, großen Projekt verschrieben: der DRF Luftrettung. Portrait eines bodenständigen und gradlinigen Machers, der heute im Aufsichtsrat der gemeinnützigen Organisation sitzt und Präsident des Fördervereins DRF e.V. ist. Ein Blick nach vorn und in die Vergangenheit.

 

Zwei Verdienstorden für Engagement und Machermentalität

Dr. h.c. Rudolf Böhmler engagiert sich seit Jahrzehnten aus persönlicher Überzeugung heraus in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen für das Gemeinwohl. Seit 2015 lenkt er als Aufsichtsratsvorsitzender die Geschicke der DRF Luftrettung mit, die seit fast fünf Jahrzehnten die Luftrettung in Deutschland entscheidend prägt. Fast zeitgleich wurde er zum Präsidenten des Fördervereins DRF e.V. gewählt und vertritt dort die Interessen von über 400.000 Fördermitgliedern der rot-weißen Flotte. Mit seinem Engagement und seiner Machermentalität hat er es zu zwei Verdienstorden gebracht: Erst kürzlich wurde ihm der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann verliehen. Bereits 2017 wurde er mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. Heute ist er ein überzeugter Luftretter mit einem beeindruckenden Lebensweg und einem faszinierend umfangreichen Wissen. Die verbleibende Zeit neben beispielloser Karriere und Familie hat Böhmler immer mit Ideen gefüllt und sich mit Initiativen für Menschen eingesetzt. Nicht um sich politisch zu profilieren, was in der Politik nicht selten ist, sondern aus dem tiefen Bedürfnis heraus, etwas für die Allgemeinheit zu tun.

 

Bodenhaftung trotz Spitzenfunktionen und Karriere

Woher kommt sein Engagement und damit seine Bodenhaftung trotz Spitzenfunktionen und hohen Ämtern? Er stamme aus bescheidenen Verhältnissen und habe damals als Sohn eines Schwerkriegsbeschädigten eher schlechtere Startbedingungen gehabt, schildert er. Berufliche Erfolge hingen und hängen auch heute noch unmittelbar mit Bildungserfolgen und dem Status des Elternhauses zusammen, reflektiert Böhmler. Außerdem habe er auch immer wieder Glück gehabt und zudem früh angefangen, sich zu engagieren. So fing er bereits als Kind an, sich bei den St. Michael-Chorknaben in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd einzusetzen und die Dinge auch selbst in die Hand zu nehmen. Gerade mal 12 Jahre alt kümmerte er sich um die Gewänder seiner Mitsänger und achtete penibel darauf, dass alle ordentlich zu den geplanten Auftritten erschienen. Später war er organisatorischer Leiter des Knabenchors und anschließend Vorsitzender des Philharmonischen Chors. Im Hochschulrat der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd wirkte er mehrere Jahre aktiv mit und hatte auch dort den Vorsitz inne. Als Vorsitzender des Deutsch-Amerikanischen Zentrums in Stuttgart hat er für fast zwei Jahrzehnte viel zur transatlantischen Verständigung beigetragen und engagiert sich darüber hinaus noch heute im kommunalen Bereich. Die lange Liste seiner Ehrenämter ist beeindruckend und verdeutlicht seinen Weg zum ausgesprochen guten Netzwerker.

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Stations- und Standortbesuche nimmt er gerne regelmäßig wahr: Böhmler am Operation Center in Rheinmünster am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden. Wenn er den rot-weißen Hubschrauber am Himmel sieht, geht sein Herz auf, weil er weiß, dass die Luftretter im Einsatz sind und Menschenleben retten. (Quelle: DRF Luftrettung)

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Rudolf Böhmler auf dem Rad vor der Deutschen Bundesbank in Frankfurt. Dort war er vor seinem Wechsel 2015 zur DRF Luftrettung Mitglied des Vorstands. (Quelle: Privat)

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Ein Bild aus Kindheitstagen: Sein erster Kindergartentag an der Hand seiner Mutter, auf die er sehr stolz ist. (Quelle: Privat)

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Der Gmünder liebt die Musik: Bei den St. Michael-Chorknaben in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd setzte er sich bereits früh - Mitte der 50er Jahre - für die Gemeinschaft ein. Hier singt er 1957 bei einem Konzert in Rottweil in der ersten Reihe. (Quelle: Privat)

Begegnung mit Prinz Philip

Es gibt Menschen, die in einem Interview erst beim richtigen Stichwort ins Erzählen kommen. Dr. h.c. Rudolf Böhmler braucht weder Fragen noch Stichwörter. Der 75-jährige Jurist ist ein dankbarer Gesprächspartner, der ganz von selbst eine Geschichte nach der anderen auspackt: über persönliche Erlebnisse, seine Haltung zu verschiedenen Themen und bewegende Situationen aus seinem Leben, wie die Meisterschaft im Diskuswerfen 1962. Da war er als 16-Jähriger dabei und wurde württembergischer Jugendmeister. Auch das ist typisch für ihn und seine bemerkenswerte Laufbahn: Geistige und körperliche Disziplin, die ihn zu Höchstleistungen gebracht hat. Böhmler erzählt von seiner Kindheit, den Charaktereigenschaften und Fähigkeiten seiner Mutter, seiner Liebe zur Musik und dem Chor, einem Besuch mit seinen Enkeln auf einem Klassikkonzert oder von besonderen Begegnungen mit königlichen Größen des Zeitgeschehens. So tauschte er sich während seiner aktiven Zeit als junger Chorsänger beim Empfang des englischen Throns während einer Konzerttour mit Prinz Philip (†), dem Duke of Edinburgh, höchstpersönlich darüber aus, dass Philip als Jugendlicher viel Zeit auf Schloss Langenburg (bei Schwäbisch Hall) bei Verwandten verbracht hatte. Dann sagt er mit nachdenklicher Stimme, dass all das in seinem Leben nicht möglich wäre, wenn ihm seine Frau Renate, die er während seiner Ausbildung in jungen Jahren – sie war 16, er 18 – kennenlernte und mit der er erst kürzlich Goldene Hochzeit gefeiert hat, nicht in all den Jahren den Rücken freigehalten hätte. „Ich konnte mich nur so entwickeln, weil sie mir die Freiheit gab, mich um Karriere und Ehrenämter zu kümmern.“.

 

Helmut Nanz hat mich sehr inspiriert!
 
Dr. h.c. Rudolf Böhmler

 

Starke Worte eines Mannes, der eine steile berufliche Karriere gemacht hat, fest in seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd verwurzelt und überzeugter Luftretter ist. „Ich möchte, dass den Menschen das Herz aufgeht, wenn sie den rot-weißen Hubschrauber am Himmel knattern hören, dass eine zuversichtliche Welle durch sie hindurch geht, wenn wir ihnen helfen und sie retten können“, sagt Böhmler, der 2010 von seinem Vorgänger und entscheidenden Wegbereiter der DRF Luftrettung Helmut Nanz (†) quasi angeworben wurde. Sie kannten sich aus der Zeit, als Böhmler in der Staatskanzlei arbeitete. Nanz war damals Honorarkonsul von Indien und kam 2000 als Mitglied des Vorstands zur damaligen Deutschen Rettungsflugwacht e.V.. 2008 wurde Nanz selbst Vorsitzender des Aufsichtsrats und Präsident des Fördervereins DRF e.V., als er später seinen Nachfolger suchte, wurde er mit Böhmler fündig. Damals war Böhmler, von 2007 bis Ende 2014, noch Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Aus der Einladung in den Stiftungsrat der DRF Luftrettung zu einem Kennenlernen wurde mehr: Seine neue Aufgabe als Luftretter. „Nanz war ein ganz besonderer Mensch für mich. Er war ein toller Netzwerker mit unglaublichem sozialem Engagement und hat mich sehr inspiriert“, beschreibt Böhmler einen seiner wichtigsten Weggefährten.

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Seit 50 Jahren glücklich verheiratet: Dr. h.c. Rudolf Böhmler und seine Frau Renate, die ihn in allem unterstützt hat. Im Hintergrund (v.l.) Sohn Christopher, Schwiegertochter Judith und Sohn Alexander 2007 bei der Verabschiedung als Staatssekretär. Anfang 2021 feierte das Paar Goldene Hochzeit. (Quelle: Privat)

Dr. h.c. Rudolf Böhmler (links) ist neuer Präsident des DRF e.V. (3)

Sein Vorgänger und wichtiger Wegbegleiter: Der damalige Vorstand der DRF Luftrettung Helmut Nanz (v.r.) hatte die Organisation maßgeblich geprägt und fand 2015 seinen würdigen Nachfolger in Rudolf Böhmler, der von 2007 bis Ende 2014 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank war. Sein Vorgänger Nanz (†) stand der DRF Luftrettung lange weiterhin als Mitglied im Stiftungsrat der DRF Stiftung Luftrettung zur Verfügung. (Quelle: DRF Luftrettung)

Vom Staatssekretär zum Bundesbanker

Inspiration durch andere Menschen finden, klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, wenn man die Vita von Dr. h.c. Böhmler vom Enkel eines Bauern zum Bundesbanker kennt und ihn beim ersten Eindruck als nüchternen Kopfmensch erlebt. Denn ursprünglich kommt er aus der Verwaltung und passt vordergründig ganz gut in das Klischee eines rein faktenorientierten und regelkonformen Beamten. Nach seiner Ausbildung im gehobenen Verwaltungsdienst begann er seine Karriere zunächst als Ordnungsdezernent in Göppingen und machte seinen Weg über weitere Etappen bis zu seiner Ernennung zum Staatssekretär. Unter anderem arbeitete er als Referent beim Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg und als persönlicher Referent im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Anfang der 1990er Jahre wurde Dr. h.c. Rudolf Böhmler dann Abteilungsleiter „Europapolitik und internationale Angelegenheiten sowie Protokoll“ beim Staatsministerium. Es folgte ein Wechsel als Amtschef in das Wissenschaftsministerium, bevor er Chef der Staatskanzlei im Staatsministerium wurde und damit der oberste Beamte im Land Baden-Württemberg. Doch in seinem im Bauhausstil erbauten Haus mit Blick auf die „Drei Kaiserberge“ erlebt man auch einen ganz anderen Menschen, einen mit Feinsinn und Liebe für puristische Ästhetik. „Ich wollte einst Schriftsetzer oder Architekt werden“, sinniert er und spricht über seine Jugendträume. Verwirklicht hat er sie nicht. Stattdessen schrieb er sich mit etwa 25 Jahren als Gasthörer für das Jura-Studium in Tübingen ein. Das Abitur musste er über den zweiten Bildungsweg parallel nachholen – abends. Seine Frau Renate unterstützte seine ehrgeizigen Pläne, indem sie für den Lebensunterhalt des Paares sorgte. Später bekam er ein Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes und studierte zeitweise auch in Oxford. 1977 schloss er sein Jura-Studium mit dem zweiten Staatsexamen ab.

 

Die Zukunft der Luftrettung immer im Blick

Auf seinem langen Weg nach oben mit schwierigen Startbedingungen, Zweifeln an der Eignung seiner Person für bestimmte Posten und dem souveränen Umgang mit Widersachern habe er einen langen Atem bewiesen, sagt er. „Ich bin immer 100 Prozent bei der Sache und kein Typ, der sich nur partiell beteiligt. Das war schon in meiner Zeit im Chor so!“, beschreibt er sein Lebensmotto und offenbart damit auch seine innere Haltung. Böhmler ist ein Mensch der klaren Worte. Er selbst spricht sogar von „klarer Kante“ und schmunzelt dabei. Das nimmt man ihm ab und hat sofort Bilder im Kopf, wie er im Umgang mit Menschen ist, wenn es um Ansichten und Entscheidungen geht, als Chef und Macher: Entschlossen und gradlinig. Apropos Worte, in ihnen versinkt er gerne – täglich liest er mehrere Zeitungen und viele Bücher. In seinem Haus befindet sich neben Kunstobjekten mit typisch puristischem Design eine herausragende Bibliothek mit mehreren Tausend Büchern. Genauer gesagt sind es nahezu 7.000, lässt er so ganz nebenbei ins Gespräch einfließen. Die Bücher erzählen von historischen Zeiten und Zeitzeugen, seinen persönlichen Interessen, auch Biografien und Fachliteratur befinden sich darunter. Gelesen hat Dr. h.c. Böhmler sie alle. Er stellt Zusammenhänge her, taucht in die Geschichte ein und blickt immer wieder in die Zukunft. Vor allem dann, wenn es um gesellschaftliche Entwicklungen und die Zukunft der Luftrettung geht. Das ist mehr als nur Chefsache für ihn – es ist seine aktuelle Lebensaufgabe als Aufsichtsratsvorsitzender und Präsident des Fördervereins DRF e.V.. „Ich sehe für die Luftrettung große Zukunftschancen“, skizziert Böhmler die nächsten fünf bis zehn Jahre und begründet dies damit, dass Luftrettung bei zunehmendem Verkehrsaufkommen, dem zu erwartenden Abbau der Krankenhausdichte und der medizinischen Spezialisierung der Krankenhäuser immer wichtiger werde. Die schnelle und sichere Verlegung von Patientinnen und Patienten bei speziellen Krankheitsbildern und Verletzungen in die bestgeeignete Klinik schreite deutlich voran, was auch die Pandemie gezeigt habe.

 

Ich möchte, dass wir die Luftrettung mit Zukunftstechnologien vorantreiben.
 
Dr. h.c. Rudolf Böhmler

 

Böhmler ist ein Aufsichtsrat, der, wie er sagt, „ajour“, also am Puls der Zeit sein möchte, was die Weiterentwicklung der Luftrettung in Deutschland angeht. „Ich möchte, dass es vorwärts geht und wir die Luftrettung noch besser machen, uns intensiv mit Zukunftstechnologien, wie dem Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen in der notfallmedizinischen Versorgung oder Lufttaxis auseinandersetzen und bereits bestehende Projekte mit aller Innovationskraft vorantreiben“, schildert er sein Interesse an den Zukunftsplänen der DRF Luftrettung. Böhmler erkennt Potenziale und Chancen von Innovationen sehr schnell, weil auch er möchte, dass derartige notfallmedizinische Transportmittel im Wettlauf gegen die Zeit bei einem Notfall schnell zum Einsatz kommen, um Menschen bestmöglich zu retten. Ihm ist allerdings auch bewusst, dass es eine Zeit der Entwicklung braucht, bevor beispielsweise der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge sicher in die notfallmedizinische Patientenversorgung integriert werden kann. Sein visionärer Ehrgeiz gepaart mit Besonnenheit ergeben ein übereinstimmendes Bild von ihm und dem Wesensmerkmal der DRF Luftrettung: Mit Empathie und Weitsicht sein Bestes für die Rettung von Menschenleben zu geben.

 

Einführung des Slogans „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“

Von draußen scheint die Sonne auf die Terrasse mit einem wunderschönen Ausblick auf das Tal der Stauferstadt in Schwäbisch Gmünd. Auf dem Tisch steht ein weiterer frischgebrühter Kaffee, Dokumente zu den Stationen seines Lebens und Meilensteinen seiner beeindruckenden Karriere und ehrenamtlichen Engagement liegen griffbereit. Das idyllische Panorama des Hohenstaufen vor Augen lässt er sich dennoch nicht ablenken und ist hochkonzentriert bei der Sache. Das, was er zu erzählen hat, ist mehr als nur ein chronologisches Abbild seines Karriereweges, seiner hohen Ämter und seines großen Engagements. Es stecken Erfahrungen darin, sie zeugen von Chancen und prägenden Momenten in jeder Phase seines Lebens. „Meine Karriere ist auch glückhaft. Ich war nicht immer die erste Wahl oder der Top-Favorit für bestimmte Positionen. Vermutlich war ich aber immer der richtige Mann, zur richtigen Zeit am richtigen Ort!“ Dr. h.c. Böhmler ist ein vielseitig interessierter Mensch, der großen Wert auf Stil und Kultur legt, aber auch konservative Grundwerte und Tugenden wie Fleiß, Ehrgeiz, Ehrbarkeit sowie Gemeinsinn für fundamental wichtig erachtet. Doch auch Witz und Augenzwinkern sind ihm nicht fremd, wenn es unter anderem um schwäbische Eigenarten und Tugenden geht. So war er als Chef des Staatsministeriums unter Landeschef Erwin Teufel auch an der Einführung des bekannten baden-württembergischen Slogans „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“ Anfang 2000 beteiligt. Ein kluger Schachzug eines mit großer Klugheit ausgestatteten Menschen, der versteht, dass Werbung und Image über Gefühle und Emotionen funktionieren. Die angeberische Attitude in einem der bekanntesten Landesslogans lächelt er milde weg, denn er weiß, dass es den polarisierenden Aspekt manchmal braucht, um wahrgenommen zu werden. Das zeugt auch von Mut und Humor.

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Erste hohe Auszeichnung 2017: Rudolf Böhmler mit seiner Ehefrau Renate und seinen zwei Enkeln bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch Staatsminister Klaus-Peter Murawski. (Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg)

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Im Juli 2007 verabschiedete ihn der damalige Ministerpräsident Baden-Württembergs Günther Oettinger (r.v.) als Staatssekretär. Oettinger war Ministerpräsident des Landes von 2005 bis 2010, bis er dann in den EU-Rat wechselte. (Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg)

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Am 1. April 1964 liefen sich die beiden jungen Leute das erste Mal im Gmünder Landratsamt während ihrer Ausbildung über den Weg. Das war der Beginn einer starken Partnerschaft. Seine Frau Renate hielt ihm für seine Karriere und seine sozialen Ämter den Rücken frei. (Quelle: Privat)

Spagat zwischen Karriere und Familie

Emotional wird er auch beim Thema seiner zwei Söhne und Enkel, für die er sicher gerne noch mehr Zeit hätte. Berufstätigen Vätern wie ihm, die eine beachtliche Karriere gemacht haben, gelingt der Spagat zwischen Familie und Beruf in der Regel kaum. „Beruflichen Ansprüchen gerecht zu werden und trotzdem für die Familie da zu sein, ist eine große Herausforderung“, gibt Böhmler zu und zeigt offen, dass er mit sich haderte, wie Job und Vatersein zu vereinbaren wären. Und das in einer Zeit, wo Rollenbilder noch nicht aufgebrochen waren. Er schätzt die Leistung seiner Frau sehr, die die Kinder oft allein großziehen musste. Das macht ihn zutiefst menschlich. Und heute? Wahrscheinlich sind es die vielen Verpflichtungen seiner zig Ehrenämter, die neben seinen Aufgaben als Aufsichtsrat Zeit in Anspruch nehmen. Seine Enkel unterstützt er, wo er kann – auch bei der Entfaltung besonderer Talente, die sie von ihm geerbt zu haben scheinen: Das Singen im Chor. Er lädt sie außerdem gerne zu einem Konzertnachmittag ein, um ihnen die Welt der Musik zu eröffnen.

 

Netzwerken fürs Allgemeinwohl

Böhmler ist niemand, der den Ruhestand mit Freizeit und Langeweile füllt. Er nimmt sich Zeit für Themen und Projekte, die ihm am Herzen liegen: „Ich habe noch viele Ideen in meinem Kopf, weil ich selbst noch viel machen möchte“, gesteht er ein. Seit vielen Jahren setzt er sich in der Kirche, in Verbänden und Vereinen für das kulturelle Leben seiner Heimatstadt Schwäbisch Gmünd ein. Dafür sucht er den Dialog und den Austausch von Ideen. Ab und zu lenkt er das Gespräch auf das politische Geschehen in Deutschland. Man spürt, dass er ein politischer Mensch ist, ihm Mitwirkung und Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen wie Bildung wichtig sind. Das nahezu vierstündige Interview mit ihm ist tiefgründig und sehr persönlich, denn allein sein Berufsweg ist wie ein historisches Zeugnis, seine Ämter sind hochkarätig, verdienen Respekt und Wertschätzung. Böhmler lässt eine vertrauensvolle Atmosphäre zu und möchte selbst inspiriert werden, sein Gegenüber näher kennenlernen. Das öffnet in beide Richtungen. Es ist offensichtlich, dass er ein brillanter Netzwerker und im Aufsichtsrat der gemeinnützigen DRF Luftrettung genau richtig ist. Er ist ein Beziehungsmanager, der gerne Verantwortung trägt, mitbestimmen und mitgestalten möchte. Doch wie viel Einfluss hat ein Aufsichtsrat und wie würde er seinen Enkeln erklären, was genau seine Aufgabe ist? Ganz simpel sagt er, ein Aufsichtsrat führt Aufsicht und gibt Rat. Er ist das Kontrollgremium in einem Unternehmen oder einer Organisation wie der DRF Luftrettung.

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Auf höchste Einladung zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI: Böhmler im Vatikan in Rom. (Quelle: Vatikan)

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Mit Erwin Teufel (Mitte), der von 1991 bis 2005 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg war, traf er 1995 Jassir Arafat (†) . Der palästinensische Politiker und Friedens-Nobelpreisträger (1994) war über drei Jahrzehnte lang Führer der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, die als legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes galt.

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Auf dem roten Teppich vor dem neuen Schloss in Stuttgart schüttelte Böhmler 2006 König Juan Carlos die Hand, der 2016 abdankte. (Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg)

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Immer wieder traf er die Mächtigen der Welt: Böhmler 2006 mit dem berühmtesten Außenminister der USA, Henry Kissinger. (Quelle: Staatsministerium)

Der Aufsichtsrat der DRF Luftrettung und seine Aufgaben

Genauer gesagt ernennt ein Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder, normalerweise für fünf Jahre, und kann sie gemäß Aktiengesetz „aus wichtigem Grund" auch vorher wieder absetzen. Das Kontrollgremium muss Geschäftsstrategien, Unternehmenskäufe, Entwicklungsbudgets und den Finanzierungsrahmen genehmigen. Daraus ergibt sich eine erhebliche Mitverantwortung für Erfolg und Misserfolg eines Unternehmens. Das bedeutet allerdings ausdrücklich nicht, dass die Aufsichtsratsmitglieder so etwas wie Vorgesetzte der Geschäftsführer und Vorstände sind. Der Aufsichtsrat hat keine Weisungsbefugnis für das operative Geschäft. Er überwacht die Geschäftsführung „begleitend", so heißt es im Gesetz, und hat in diesem Rahmen verschiedene Rechte und Pflichten. Dazu zählen das Recht auf Information über die Geschäftstätigkeit und die Pflicht, Jahresabschluss und Lagebericht sowie gegebenenfalls Konzernabschluss und Konzernlagebericht zu prüfen und darüber der Hauptversammlung zu berichten. „Wir sind im Aufsichtsrat gut aufgestellt und arbeiten sehr eng und vertrauensvoll mit den beiden Vorständen Dr. Krystian Pracz und Dr. Peter Huber zusammen. Es ist wie ein Ping-Pong-Spiel mit Strategie, Ratschlag und Entscheidung sind in einem ausgewogenen Verhältnis“, lobt Böhmler die Zusammenarbeit. Weitere Mitglieder sind Annette Sohns, Diplom-Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin, und René Closter, Präsident der Luxemburg Air Rescue. Die gemeinnützig tätige DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt besteht aus drei Teilen. Die DRF Stiftung Luftrettung überwacht die operative Arbeit der gemeinnützigen AG mit dem hochkarätig besetzen Stiftungsrat unter der Leitung von Willem van Agtmael. Auch hier ist die sehr vertrauensvolle und kreative Zusammenarbeit selbstverständlich. Aufgabe des Fördervereins DRF e.V. ist die Beschaffung finanzieller Mittel, die der DRF Stiftung Luftrettung und der DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG zukommen. Zur Finanzierung der oft lebensrettenden Arbeit der DRF Luftrettung tragen aktuell die rund 400.000 Förderer im DRF e.V. entscheidend bei.

 

DRF Luftrettung ist europaweit führend im Nachtflug

Was ist noch maßgeblich besonders an den Luftrettern der rot-weißen Flotte? „Kreativität ist in unserem ‚Geschäft‘ sehr wichtig“, betont Dr. Böhmler. Und daher sei es für den Förderverein auch selbstverständlich gewesen, spontan 11 EpiShuttles zum Transport von hochansteckenden Coronapatienten anzuschaffen und durch speziell dafür eingeworbene Spendeneinnahmen der Mitglieder abzusichern. „Wer innerhalb unserer Organisation die Ursprungsidee zur Integration dieses Isolierungssystems in unseren Einsatzalltag hatte, ist genial. Und wir haben nicht eine Minute diskutiert, sondern sofort zur Seite gestanden“, sagt er noch sichtlich berührt. Er verwendet Begriffe wie „wir sind besonders“, wenn er von der Einsatzbereitschaft der rot-weißen Flotte spricht, weil er das Alleinstellungsmerkmal hervorhebt, dass bundesweit 11 Stationen der DRF Luftrettung rund um die Uhr im Einsatz sind – also sowohl am Tag als auch in der Nacht – und Menschenleben retten. Und innerhalb der Gruppe der DRF Luftrettung, bestehend aus DRF Luftrettung, ARA Flugrettung, Northern Helicopter GmbH sowie der AP³ Luftrettung, sind es in der D-A-C-H-Region sogar insgesamt 14 Standorte. Allein im Jahr 2020 leisteten die Luftretter an ihren Stationen 5.174 Nachtflugeinsätze, d.h. 29 Prozent der Einsätze ihrer Stationen innerhalb der Gruppe fanden in den Nachtstunden statt. Europaweit hat sie damit die größte Erfahrung im Nachtflug mit den meisten Flugstunden bei Dunkelheit. „Das ist ein Pfund für die Organisation“, würdigt Böhmler das Einsatzprofil.

 

Auf dem Boden des fairen Wettbewerbs bleiben

Einsatz zeigen, das lebt er vor und das ist ihm wichtig, dabei kommt er immer wieder ins Schwärmen, wenn er von den Luftrettern an den Stationen und am Operation Center spricht, die er gemeinsam mit seiner Frau auf Urlaubsrouten besucht. „Die große Begeisterung aller, die springt uns beiden ins Auge. Ich spüre und erlebe, dass sie es als Ehre empfinden, für die DRF Luftrettung zu arbeiten und stolz sind, Menschen helfen zu können. Sie gehen nicht nur einem Job nach, sondern sind begeisterte Retter“, spricht er seine Faszination offen aus. Dabei glänzen seine Augen und es schwingt viel Wertschätzung und Identifikation bei seinen Worten mit. Werte, die auch ihm neben Lob und seinen vielen Anerkennungen selbst wichtig sind im Leben. „Natürlich freue ich mich über jede Auszeichnung. Was mich aber antreibt, sind viel mehr Respekt und Wertschätzung!“ Darauf legt er sehr viel Wert, auch im Umgang mit der Konkurrenz, wenn er vom Ausbau und dem Zugewinn weiterer Stationen für die DRF Luftrettung in der Zukunft spricht: „Ich stehe gemeinsam mit unseren Vorständen stets für eine faire Kooperation. Dieser Weg darf niemals verlassen werden. Es ist einer meiner Grundsätze, dass wir uns auf dem Boden des fairen Wettbewerbs und nicht der Aggression bewegen“, fasst Böhmler seinen Kurs zusammen.

 

Von der Ehrendoktorwürde und dem Vertrauen in die DRF Luftrettung

Böhmler füllt den Raum nicht mit großen Gesten und lauter Stimme. Er ist keiner, der sein Publikum mit emotionaler Rhetorik fesselt; der passionierte Radfahrer redet sachlich, faktenorientiert, höflich, wägt seine Worte genau ab, ist konsequent gradlinig und lässt sich nicht aus dem Konzept bringen. Er hat etwas von einem lebensklugen Visionär, einem Fels in der Brandung, der, wenn die Wellen hochschlagen, souverän und gelassen bleibt, zielorientiert und richtungsweisend seine Aufgaben als Aufsichtsrat wahrnimmt und sein Amt als Präsident ausfüllt. Im Gespräch wirkt er, als fokussiere er immer schon seinen nächsten Gedanken, während er noch über den ersten spricht. Der Gmünder ist sicherlich ein Vorbild für viele. Eben ein Mensch und Macher, an dem man sich orientiert. Dass er angesehen ist, ist unumstritten. Ein Beleg dafür ist die 2010 in einer feierlichen Stunde verliehene Ehrendoktorwürde mit der „honoris causa“ (h.c.) der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Sein Schaffen hat einige Laudationen gefüllt und so manchen Händedruck erzeugt, sicherlich auch einige Kritik gebracht. Damit kann er umgehen, sagt er.

 

Wir wollen weiterhin verlässlich und vertrauenswürdig sein.
 
Dr. h.c. Rudolf Böhmler

 

Es gereicht ihm zur Ehre, wenn er seine ehrliche Anerkennung gegenüber den Luftrettern zum Ausdruck bringt: „Die innere Haltung aller macht die Seele der DRF Luftrettung aus!“ Dr h.c. Rudolf Böhmler ist weitaus mehr als ein kühler Stratege, der seine Karriere zielstrebig verfolgte. Er ist ein Mensch mit einer festen Bodenhaftung und klaren Geisteshaltung, die die Mission der DRF Luftrettung mit Leben füllt: Menschen retten, um ihnen zu einem gesunden und guten Leben zu verhelfen. Und zwar indem die Luftretter mit den besten Rettungsteams, modernster Technik und neuster luftgestützter Notfallmedizin schnell und sicher am Einsatzort eintreffen. Und dabei sei es das Ziel, immer ein Plus für jene zu schaffen, die ihre finanziellen Mittel, ihr Vertrauen und Empathie in die DRF Luftrettung investieren würden. „Wir wollen weiterhin eine verlässliche und vertrauenswürdige Rettungsorganisation sein, die die Luftrettung und damit die Notfallversorgung entscheidend und nachhaltig verändert. Für dieses Ziel arbeiten wir Hand in Hand mit allen Fördermitgliedern und Spendern jederzeit, immer und überall“, resümiert Dr. h.c. Rudolf Böhmler – einer, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, den Erfolg der DRF Luftrettung fortzuschreiben.

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann würdigte Dr. h.c. Rudolf Böhmler im Juli 2021 für seine Zeit, Arbeitskraft, Ideen und Initiativen, die er dem Land Baden-Württemberg geschenkt hat. (Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg)

Autorin: Emel Tahta-Lehmann